2006-02-21_Akkusativ

Gestern liess eine Kollegin den Bewerber für ein Praktikum abblitzen, weil der Student in den wenigen Zeilen seines E-Mails so viele Fehler gemacht hatte, dass sich jeder Sekundarschüler geschämt hätte. Die Tätigkeit bei uns verlange eine gewisse Basiskompetenz, schrieb die Kollegin in ihrer Absage.

Heute habe ich einen Flyer erhalten, in dem die Crème der Schweizer Museumsverbände für den Studiengang "KUVERUM" zum Thema Kulturvermittlung und Museumspädagogik wirbt. Es handle sich um eine neue Art von Lehrgang. Der Titel von Modul 5 macht mich stutzig: "Neuer Standort finden". Mit einem Stirnrunzeln lese ich weiter. Der Lauftext belehrt mich, der Aufbau von Wissen und der Umgang mit Wissen sei "ein höchst kreativer Vorgang, der jede Person auf ganz eigene Weise vollzieht." Also der Vorgang vollzieht die Person? Interessant!

Neugierig geworden, besuche ich die Website und erfahre, dass der Lehrgang "insgesamt an 45 Kurstage" stattfindet. Und: "Was Studierende oder KUVERUM als Gruppe für Projekte im Bereich der Kulturvermittlung erfinden, sind auf dem Infomat zu finden."

Wirklich, ich bin schwer beeindruckt von dieser geballten Kompetenz der beteiligten Organisationen (Pädagogische Hochschule der FHA, Aarau; Hochschule der Künste Bern; Erwachsenenbildung Zürich; Bundesakademie für kulturelle Bildung, Wolfenbüttel/Deutschland; Verband der Museen der Schweiz VMS; Verband der Fachleute für Bildung und Vermittlung im Museum Mediamus; Internationaler Museumsrat ICOM, Sektion Schweiz). Von denen kann man sicher eine Menge lernen, die 12'000 Franken Kursgebühr lohnen sich bestimmt.

ROTFL.


Fast konspirativ ist das Treffen mit dem Erfinder: Abholung am Bahnhof, dann fährt er uns in eine Vorstadt, zu einem Gebäude, in dem niemand eine Erfinderwerkstatt vermuten würde. Überraschung beim Eintreten: Ich hatte eine kleine Tüftlerbude erwartet, doch die Grosszügigkeit der Büroräume macht auf Anhieb klar, dass ein potenter Financier hinter dem Projekt stehen muss. Ein Sekretär bringt Kaffee und ein Formular. Wie erwartet müssen wir unterschreiben, dass wir keine Informationen zum Projekt weitergeben. Dieses so genannte "Non-disclosure and Confidentiality Agreement" sei allerdings eher eine Formsache, meint der Erfinder: Wenn wir zum "Blick" gingen und vom Projekt erzählten, würden die uns auslachen und für verrückt halten.

Nach dem Smalltalk führt er uns in ein grosses Sitzungszimmer und stellt uns in einer langen, aber sehr interessanten Powerpoint-Präsentation sein Projekt vor. Die Idee ist bestechend und auch für einen Laien wie mich gut nachvollziehbar. An einzelnen Teilen des Projektes sind Hochschulen beteiligt, auch ein bekannter Professor. Also muss wirklich etwas dran sein.

Nach seiner Präsentation enthüllt der Erfinder einige Modelle und zeigt Prototypen wichtiger Bestandteile. Dann verbringen wir fast eine Stunde mit einer wirklich atemberaubenden Simulation der Funktionsweise. Und als ich schon denke, dass er sein Pulver jetzt endlich verschossen hat, öffnet der Erfinder wie beiläufig die Tür zu einer grossen, für den Bau der Prototypen vorgesehenen Halle. Eine Testeinrichtung gibt es auch, ebenso eine Rampe, von der die fertigen Prototypen dereinst auf Lastwagen verladen werden können. Dann zeigt er uns noch das Architekturmodell eines riesigen Gebäudes, das als Produktionsstätte für die Serienmodelle und als Ausbildungsort vorgesehen ist.

"Wenn Sie wüssten, welche bekannten Leute schon hier gewesen sind", hatte er vorher schon gesagt, ohne Namen zu nennen. Als er uns zum Bahnhof zurück fährt, hake ich nach: Wenn so viele Leute hier gewesen und Universitäten und andere Firmen an der Entwicklung beteiligt seien, dann müsse das Projekt doch in Fachkreisen bekannt sein? - "Ja schon", sagt der Erfinder, "aber die haben alle auch unterschrieben."

Allerdings, ganz geheim sei das Projekt nicht mehr. Mittlerweile sei es weltweit patentiert, und deshalb könne man auch im Internet Informationen dazu finden. Wahrscheinlich muss man dazu aber genau wissen, wonach man suchen muss. Denn natürlich habe ich vor meinem Besuch nach Informationen gegoogelt und nur einen Zeitungsartikel zu einem anderen Thema gefunden, in dem das Projekt auf wenigen Zeilen beiläufig erwähnt und der Erfinder quasi als Spinner lächerlich gemacht wurde.

Ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt von dem Projekt. Wenn es Erfolg hat ("wenn wir durchkommen", wie der Erfinder mehrmals sagte, wobei er aber noch gar nicht sicher ist, dass das so sein wird) - wenn das Projekt also Erfolg haben wird, dann kann die Schweiz stolz sein, dass hierzulande jemand etwas so Innovatives, ja sogar Revolutionäres zustande bringt. Und falls der Erfinder scheitert, dann scheitert er gross, und dann gibt es Stoff für mindestens ein gutes Buch und einen guten Film.