Rückfahrt von einem sehr schönen Besuch bei Verwandten in Deutschland. Bei meinem letzten Besuch 1977 war ich noch ein Kind gewesen. Damals, das wurde mir kürzlich bewusst, war seit dem Zweiten Weltkrieg erst so viel Zeit vergangen, wie ebendieser Besuch, von heute aus gesehen, für mich zurückliegt. Die Erinnerung an den Krieg musste also damals für die Leute noch genauso frisch gewesen sein, wie meine eigene Erinnerung an diesen letzten Besuch heute ist.
Das ist eine seltsame Art der Zeitmessung, aber damit kann ich Ereignisse, die ich selber nicht erlebt habe, zumindest ansatzweise fassen: Ich nehme ein Stück der eigenen Biografie und messe damit die Weltgeschichte.
Das tat auch ein Mitreisender bei der Einfahrt des ICE in den Frankfurter Hauptbahnhof. "Hier war ja alles zerstört", sagte er zu seinen Begleitern. "Das muss man sich mal vorstellen: das Leid, die toten Kinder, die zerbombten Gebäude. Und als ich geboren wurde, 1966, da war das für meine Eltern noch so gegenwärtig, wie uns heute der Fall der Mauer gegenwärtig ist."