Aus einer Laune heraus habe ich vor zwei Monaten ein Ticket für die offizielle Bundesfeier am 1. August auf dem Rütli beantragt. Allein die inbegriffene Nonstop-Fahrt auf dem Extraschiff ab Luzern wird die Sache wert sein, dachte ich. Ausserdem reizte mich der Gedanke, von offizieller Seite bestätigt zu bekommen, kein Rechtsradikaler zu sein und damit zum auserlesenen Kreis jener paar Hundert Personen zu gehören, die sich am Nationalfeiertag exklusiv am Rütli aufhalten dürfen.
Am Schiffssteg in Luzern wie erwartet strenge Zutrittskontrollen durch die Securitas: Ich muss das Ticket, das ich vor einer Woche zugeschickt erhalten habe, zusammen mit meiner Identitätskarte vorweisen. Meine Stativtasche, die aussieht, als würde ich darin ein Gewehr transportieren, beachtet hingegen niemand.
Die Gelegenheit, gratis mit dem Schiff zu fahren, wollen viele ausnutzen und drängen jetzt in die erste Klasse im Oberdeck des Motorschiffs "Winkelried". Unten in der zweiten Klasse bleibt jedoch viel Platz. Ich setze mich auf einen Platz auf dem Vordeck, strecke die Beine und geniesse die Fahrt. Die anderen Fahrgäste: erstaunlich jung, städtisch und international, eine Invasion von reaktionären Wandersenioren, wie ich sie befürchtet hatte, ist nicht festzustellen. Auch Annemarie Huber-Hotz, ehemalige Bundeskanzlerin und jetzt Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, die die Rütli-Feier veranstaltet, fährt auf dem Schiff mit. Eine Stunde später wird ein zweites Schiff weitere Besucher aufs Rütli bringen.
Bei der Ankunft am Rütli wieder Securitas und jetzt auch Polizei. Sie filzen einen Verdächtigen. Mit Glatze, Tattoo und Camouflage-Hose hat er das praktisch herausgefordert. Ich sehe ihn nachher nicht wieder.
"Eins zwei drei, es war einmal ein Mann, der hatte einen hohlen Zahn" - oben auf der Rütliwiese sind Techniker noch daran, die Lautsprecheranlage zu testen, als die Gäste ankommen und zu picknicken anfangen. „Das ist im Fall nur ein Soundcheck“, sagt auch der Leiter des Kinder- und Jugendchors Luzern und Horw über Lautsprecher zum Publikum, bevor er seine Schützlinge probehalber ein paar Takte von jedem vorgesehenen Lied anstimmen lässt. Er weiss noch nicht, dass dies die einzige Darbietung seines Chores sein wird.
Neben den Kameraleuten vom Schweizer Fernsehen, von Tele Tell und vom "Blick"-Web-TV fallen ein oder zwei jüngere Männer auf, die eher verstört mit einer Videokamera durch die Reihen der Besucher streunen. Fast macht es den Eindruck, als seien sie enttäuscht, keine Glatzen vor die Linse zu bekommen.
Um 14:20 Uhr geht Frau Huber-Hotz ans Rednerpult und eröffnet die Feier. Sie ist keine brillante Rednerin, aber das fällt jetzt nicht so auf, denn im gleichen Moment hat es zu regnen begonnen, und die Leute sind mehr damit beschäftigt, ihre Regenjacken und Schirme hervorzukramen, als der Rednerin zuzuhören.
Es folgt eine Viertelstunde Improvisationsjazz mit Posaune, Alphorn und Schlagzeug. Einigermassen gewöhnungsbedürftige Musik, nicht gerade etwas, das man an dieser Stelle erwartet, aber man ist ja tolerant. Die Leute applaudieren höflich, nur zwei junge Männer – wahrscheinlich die einzigen Rechtsradikalen, die durch die Maschen des Kontrollnetzes geschlüpft sind - maulen laut und ziehen ab. Wenn es solche Leute vertreibt, dann hat das Gedudel ja doch noch etwas Gutes, denke ich.
Nach der Musik wieder Frau Huber-Hotz, mittlerweile regnet es in Strömen. „Ich habe vorher noch geblasen“, sagt sie ungeschickt und fügt gleich erklärend hinzu, sie habe versucht, die Regenwolken über dem Rütli wegzublasen. Leider habe sie keinen Erfolg gehabt. Man werde die Feier ein bisschen abkürzen, aber das Ziel sei immer noch, zumindest eine Strophe der Nationalhymne zu singen.
Die bereitstehende Musikgesellschaft Brunnen, die Alphornbläser, die Fahnenschwinger und der Kinderchor kommen also nicht wie geplant zu ihren Auftritten. Nur der Urner Regierungsrat Josef Dittli hält seine Rede noch, mittlerweile im heftigsten Regensturm. Er sagt irgendetwas von den Grundwerten der Demokratie, aber ich bekomme das nicht so genau mit hinter dem Baum, unter den ich mich geflüchtet habe.
Dann wieder Frau Huber-Hotz: Man werde jetzt doch nicht die Nationalhymne singen, sondern die Feier abbrechen. Einige Buhrufe sind zu hören, der Kinderchor stimmt die Hymne trotzdem an, aber die meisten Leute ziehen schon in Richtung Schiffssteg davon. Das muss die kürzeste Rütli-Bundesfeier aller Zeiten gewesen sein, nur etwa 40 Minuten hat sie gedauert.
Die rund sechshundert Besucher, die auf zwei Schiffen hergebracht wurden, müssen sich jetzt auf ein einziges Schiff drängen. Im Inneren des Motorschiffs "Schwyz" legt der Kinder- und Jugendchor erneut los, volles Rohr aus allen Kehlen wie aus Trotz über den entgangenen Auftritt, sodass der Schiffsführer vier Anläufe braucht, um den Passagieren via Lautsprecher klarzumachen, dass sie in Brunnen aufs reguläre Kursschiff umsteigen müssen, wenn sie nach Luzern zurück wollen.
Auf eine Fortsetzung dieses Gedränges habe ich keine Lust. Nachdem ich in Brunnen ausgestiegen bin, mache ich im Regen einen kurzen Spaziergang durchs Dorf - nässer kann ich trotz Regenschutz nicht mehr werden. Dann gehe ich zum Bahnhof und warte auf den Zug. Nur wenige Rütli-Besucher haben dieselbe Idee. Eine Frau spricht am Handy mit einer Bekannten, die das Kurschiff nach Luzern genommen hat. „Sie sagt, es sei ein Riesengedränge an Bord“, erzählt sie nachher ihrem Mann.
Der Zug kommt, ich steige ein, setze mich in ein leeres Abteil und strecke die Beine. Lange bevor das Kursschiff in Luzern ankommt, bin ich zu Hause.
Am Schiffssteg in Luzern wie erwartet strenge Zutrittskontrollen durch die Securitas: Ich muss das Ticket, das ich vor einer Woche zugeschickt erhalten habe, zusammen mit meiner Identitätskarte vorweisen. Meine Stativtasche, die aussieht, als würde ich darin ein Gewehr transportieren, beachtet hingegen niemand.
Die Gelegenheit, gratis mit dem Schiff zu fahren, wollen viele ausnutzen und drängen jetzt in die erste Klasse im Oberdeck des Motorschiffs "Winkelried". Unten in der zweiten Klasse bleibt jedoch viel Platz. Ich setze mich auf einen Platz auf dem Vordeck, strecke die Beine und geniesse die Fahrt. Die anderen Fahrgäste: erstaunlich jung, städtisch und international, eine Invasion von reaktionären Wandersenioren, wie ich sie befürchtet hatte, ist nicht festzustellen. Auch Annemarie Huber-Hotz, ehemalige Bundeskanzlerin und jetzt Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, die die Rütli-Feier veranstaltet, fährt auf dem Schiff mit. Eine Stunde später wird ein zweites Schiff weitere Besucher aufs Rütli bringen.
Bei der Ankunft am Rütli wieder Securitas und jetzt auch Polizei. Sie filzen einen Verdächtigen. Mit Glatze, Tattoo und Camouflage-Hose hat er das praktisch herausgefordert. Ich sehe ihn nachher nicht wieder.
"Eins zwei drei, es war einmal ein Mann, der hatte einen hohlen Zahn" - oben auf der Rütliwiese sind Techniker noch daran, die Lautsprecheranlage zu testen, als die Gäste ankommen und zu picknicken anfangen. „Das ist im Fall nur ein Soundcheck“, sagt auch der Leiter des Kinder- und Jugendchors Luzern und Horw über Lautsprecher zum Publikum, bevor er seine Schützlinge probehalber ein paar Takte von jedem vorgesehenen Lied anstimmen lässt. Er weiss noch nicht, dass dies die einzige Darbietung seines Chores sein wird.
Neben den Kameraleuten vom Schweizer Fernsehen, von Tele Tell und vom "Blick"-Web-TV fallen ein oder zwei jüngere Männer auf, die eher verstört mit einer Videokamera durch die Reihen der Besucher streunen. Fast macht es den Eindruck, als seien sie enttäuscht, keine Glatzen vor die Linse zu bekommen.
Um 14:20 Uhr geht Frau Huber-Hotz ans Rednerpult und eröffnet die Feier. Sie ist keine brillante Rednerin, aber das fällt jetzt nicht so auf, denn im gleichen Moment hat es zu regnen begonnen, und die Leute sind mehr damit beschäftigt, ihre Regenjacken und Schirme hervorzukramen, als der Rednerin zuzuhören.
Es folgt eine Viertelstunde Improvisationsjazz mit Posaune, Alphorn und Schlagzeug. Einigermassen gewöhnungsbedürftige Musik, nicht gerade etwas, das man an dieser Stelle erwartet, aber man ist ja tolerant. Die Leute applaudieren höflich, nur zwei junge Männer – wahrscheinlich die einzigen Rechtsradikalen, die durch die Maschen des Kontrollnetzes geschlüpft sind - maulen laut und ziehen ab. Wenn es solche Leute vertreibt, dann hat das Gedudel ja doch noch etwas Gutes, denke ich.
Nach der Musik wieder Frau Huber-Hotz, mittlerweile regnet es in Strömen. „Ich habe vorher noch geblasen“, sagt sie ungeschickt und fügt gleich erklärend hinzu, sie habe versucht, die Regenwolken über dem Rütli wegzublasen. Leider habe sie keinen Erfolg gehabt. Man werde die Feier ein bisschen abkürzen, aber das Ziel sei immer noch, zumindest eine Strophe der Nationalhymne zu singen.
Die bereitstehende Musikgesellschaft Brunnen, die Alphornbläser, die Fahnenschwinger und der Kinderchor kommen also nicht wie geplant zu ihren Auftritten. Nur der Urner Regierungsrat Josef Dittli hält seine Rede noch, mittlerweile im heftigsten Regensturm. Er sagt irgendetwas von den Grundwerten der Demokratie, aber ich bekomme das nicht so genau mit hinter dem Baum, unter den ich mich geflüchtet habe.
Dann wieder Frau Huber-Hotz: Man werde jetzt doch nicht die Nationalhymne singen, sondern die Feier abbrechen. Einige Buhrufe sind zu hören, der Kinderchor stimmt die Hymne trotzdem an, aber die meisten Leute ziehen schon in Richtung Schiffssteg davon. Das muss die kürzeste Rütli-Bundesfeier aller Zeiten gewesen sein, nur etwa 40 Minuten hat sie gedauert.
Die rund sechshundert Besucher, die auf zwei Schiffen hergebracht wurden, müssen sich jetzt auf ein einziges Schiff drängen. Im Inneren des Motorschiffs "Schwyz" legt der Kinder- und Jugendchor erneut los, volles Rohr aus allen Kehlen wie aus Trotz über den entgangenen Auftritt, sodass der Schiffsführer vier Anläufe braucht, um den Passagieren via Lautsprecher klarzumachen, dass sie in Brunnen aufs reguläre Kursschiff umsteigen müssen, wenn sie nach Luzern zurück wollen.
Auf eine Fortsetzung dieses Gedränges habe ich keine Lust. Nachdem ich in Brunnen ausgestiegen bin, mache ich im Regen einen kurzen Spaziergang durchs Dorf - nässer kann ich trotz Regenschutz nicht mehr werden. Dann gehe ich zum Bahnhof und warte auf den Zug. Nur wenige Rütli-Besucher haben dieselbe Idee. Eine Frau spricht am Handy mit einer Bekannten, die das Kurschiff nach Luzern genommen hat. „Sie sagt, es sei ein Riesengedränge an Bord“, erzählt sie nachher ihrem Mann.
Der Zug kommt, ich steige ein, setze mich in ein leeres Abteil und strecke die Beine. Lange bevor das Kursschiff in Luzern ankommt, bin ich zu Hause.
D a m i a n - am Sa, 2. Aug. 2008, 01:23 - Rubrik: Unterwegs
noch kein Kommentar - Kommentar verfassen